Ponte, mein Ponte
Schon bei meinem 1. Besuch in Johannesburg im Mai 2013, auf dem Weg vom Flughafen, ist mir der Ponte Tower aufgefallen. Viele Geschichten ranken sich um dieses Gebäude, das mit 173 Metern und seinem runden Körper aus der Skyline Johannesburgs heraussticht.
1975 wurde dieses mächtige Bauwerk von südafrikanischen Architekten als Statussymbol der Apartheid errichtet. Mit 467 möblierten Wohnungen am Rande des damals absolut hippen Hillbrow war er der erste runde Wolkenkratzer der Welt und mit seinen 54 Stockwerken das höchste Wohngebäude außerhalb Amerikas. Man wohnte dem Himmel ganz nah und so wurde der Turm "Ponte" genannt, was auf portugisisch, Brücke heißt. Also, die Brücke zum Himmel.
In den ersten Jahren wohnten im Ponte ausschließlich Weiße mit genügend Kapital, denn wer sonst hätte sich diese Luxusappartements leisten konnten.
Es gab im 8. Stock über 50 Geschäfte, einen großen Supermarkt, ein Kino und für die obersten Stockwerke, deren Appartements riesig und mehrgeschossig waren, eine Rooftop Bar. Die Geschäfte hatten 24 Stunden geöffnet und ihre Bewohner konnten sich mit allem versorgen, was zum täglichen Leben benötigt wurde und so entwickelte sich Ponte zu Ponte City, zu einer Stadt in einem Gebäude.
Geht man heute durch die Straßen von Hillbrow, glaubt man kaum, dass es mal der angesagteste Vorort Johannesburgs war. Diejenigen, die die Blütezeit miterlebt haben, schwärmen noch heute von den Cafés, Geschäften, Restaurants und Bars. Samstag vormittags ging man Shoppen und dann zum Lunch. Später als die Macht des Apartheidregimes bröckelte und die Polizei die Häuserschluchten nicht mehr ausreichend kontrollieren konnte, ging es abends zum Tanzen in die einschlägig bekannten Clubs. Eigentlich war das nicht erlaubt, schließlich sollte man sonntags ausgeschlafen und nüchtern in die Kirche gehen. Doch hier entwickelte sich eine Parallelwelt mit all ihren Vor- und Nachteilen. Es entstand die erste "graue Zone", wie die Vermischung von schwarzen und weißen Afrikanern in einem Stadtteil genannt wurde.
Alle wollten hier wohnen, denn Hillbrow war das Sinnbild des Luxus und der Freiheit geworden. Aus diesem Grund entstanden die vielen riesigen Wohngebäude, die heute allerdings zumeist von der schwarzen Unterschicht Johannesburgs bewohnt werden.
Ponte City war in den 90iger Jahren ein von Morden, Prostitution und organisiertem Drogenhandel verseuchtes Gebiet, in das sich selbst die Polizei nur noch selten hineintraute. Das verwahrloste Ponte City wurde zum gefährlichsten Hochhaus der Welt. In seinem hohlen Innenraum stapelte sich der Müll mehrere Stockwerke hoch. Noch heute sind dunkle Spuren an den Wänden zu erkennen und Geschichten werden über die angeblichen Funde von Leichen erzählt.
Wie es zum Verfall von Ponte City und seiner Umgebung kam, resultiert aus einer Verknüpfung verschiedener falscher politischer Entscheidungen der Apartheidregierung, aber auch aus der Politik der ersten demokratisch gewählten Regierung unter Nelson Mandela und den daraus entstandenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen.
Erst im zweiten Versuch gelang es, Ponte Tower wieder zu einem funktionierenden Wohngebäude zu machen. Heute ist er wieder komplett mit zahlenden Mietern belegt. Aber die Maßnahmen, die dafür notwendig waren, sind nicht unumstritten.
Jeder Bewohner ist mit seinem Fingerabdruck registriert und kann nur damit die Schleuse zu den Fahrstühlen passieren. Bezahlt er seine Miete nicht, wird er verwarnt und hat eine kurze Frist das Geld zu zahlen. Verpasst er die Frist, wird sein Fingerabdruck gelöscht und er kann das Gebäude nicht mehr betreten. Besuch muss angemeldet werden und hat das Gebäude um 22 Uhr zu verlassen. Strikte Regeln, die aber notwendig sind, wie die Vergangenheit gezeigt hat.
Es ging wieder bergauf mit dem Ponte.
Im Oktober 2012 gründeten Michal Luptak und Nikolaus Bauer gleich neben dem Eingangsbereich des Ponte einen Treffpunkt für die Kinder von Ponte City und Hillbrow. Sie nannten es Dlala Nje, das so viel heißt wie,“laß’ uns spielen”. Hier werden Kinder nach der Schule betreut, es werden ihnen Entfaltungsmöglichkeiten geboten, sie werden gefördert und was das Wichtigste ist, von der Straße geholt.
Dlala Nje finanziert sich aus Spenden und Einnahmen aus Touren durch Hillbrow und den Ponte Tower, die absolut fantastisch sind.
Mittlerweile ist im 51 Stockwerk, im ehemaligen Appartement eines der Gründer, eine Bar entstanden, die man donnerstags und samstags nach Anmeldung besuchen kann. Von dort oben hat man einen grandiosen Ausblick und kann den Sonnenuntergang genießen. Für Essen und Trinken ist gesorgt und im Buchungspreis enthalten. Unter 5101@dlalanje.com kann man die Verfügbarkeit erfragen. Alle anderen Touren findet man unter https://www.dlalanje.org/ .
Das Buch von Mikhael Subotzky und Patrick Waterhouse, das den Deutsche-Börse-Fotopreis 2015 gewonnen hat und indem sie das Leben in Ponte City fotografisch festhalten und mit Geschichte und Geschichten zu einem Gesamtkunstwerk gestaltet haben, ist mein Lieblingsbuch zu diesem Thema und unter https://steidl.de/Buecher/Ponte-City-0209324650.html zu erwerben.
Wer sich eingehender mit der wechselhaften Geschichte Johannesburgs beschäftigen möchte, der sollte unbedingt eine der Touren mit Gerald Garner buchen: http://www.joburgplaces.com/ . Er ist ein absoluter Kenner Johannesburgs und ein Quell an interessanten Geschichten über die Stadt. Festgehalten hat er Vieles in seinem Buch Joburg Places: ISBN 978-0-620-54649-2
Ich freue mich schon jetzt auf meinen nächsten Besuch im Ponte. Wer mal dort war, wird meine Faszination für dieses Gebäude nachvollziehen können. Vielleicht ja auch bald du.